© Titus Nessel, 2016

Die Orgel der Herrenhäuser Kirche

Die erweiterte Orgel

Im Jahre 2016 musste die Orgel gestimmt werden, weil sie an ihrem fünfzigsten Geburtstag, der 2017 genau auf den Ostersonntag fiel, gut klingen sollte. Dabei wurde festgestellt, dass das Instrument stark verschmutzt war. Sie musste nun daher turnusgemäß gereinigt werden, besonders das Innere aller Pfeifen. 1993 war dies das letzte Mal gemacht worden.

Bei den notwendigen Reinigungsarbeiten handelt es sich um eine umfangreiche Renovierungsmaßnahme – und es entstand der Plan, bei dieser Gelegenheit das Instrument um  einige zusätzliche Klangfarben zu erweitern, die auch die Vorgängerorgel hatte und die diese im Besonderen auszeichnete. Die erste Orgel war ein symphonisches Instrument mit einem dunklen Klang, wie man es um die Jahrhundertwende 19./20. Jahrhundert baute. Sie konnte vor allem mit vielen leisen Klangfarben sehr raumfüllend klingen. Außerdem hatte sie ein großes Schwellwerk, um mittels beweglicher Türen laut und leise zu spielen. Das hatte die Orgel von 1967 nicht, sollte sie aber wieder erhalten.

Die neuen Register mit 455 Pfeifen wurden hinter der jetzigen Orgel in einem Schwellkasten in vier bis sieben Meter Höhe eingebaut. Es sind ausschließlich deutsch-romantische Klangfarben. Dieses neue Schwellwerk erinnert an den Klang der alten Orgel von Furtwängler & Hammer. Mit dieser Ergänzung schließt sich der Kreis der Restaurierung der Herrenhäuser Kirche, die Mitte der 1980er Jahre mit der Wiederherstellung der Jugendstilbemalung begonnen worden war und die die Absicht verfolgte, den Erbauungszustand der Herrenhäuser Kirche von 1906 weitgehend wieder herzustellen.

Das Konzept, das hinter der nun jüngsten Baumaßnahme an der Orgel stand, sah vor, die Orgel von 1967 um  ein Schwellwerk zu erweitern und sie außerdem in dem Sinne zu optimieren, wie sie zur Erbauungszeit gedacht war. Aus diesem Grunde bleibt die neobarocke Intonationsweise mit einer gleichschwebenden Stimmung erhalten. Das Traktursystem mit Aluminiumabstrakten, das von vielen Fachleuten als sehr störanfällig und unsensibel bezeichnet wird, hat entgegen vielen Prophezeiungen nun schon 52 Jahre klaglos funktioniert und ist durch die jüngste Überarbeitung von Hillebrand sehr fein einjustiert worden, nachdem neue Ventilbeläge eingebaut und der mechanische Koppelapparat durch einen elektrischen ersetzt wurde. Das romantische Schwellwerk wurde rein äußerlich quasi als „Auxilär“ angefügt, ohne dass die Orgel von 1967 technisch und klanglich weitreichend umgebaut werden musste. Der ursprüngliche dreimanualige Spieltisch blieb deshalb ebenfalls erhalten. Das neue Schwellwerk lässt sich an alle Manuale und an das Pedal ankoppeln. An die Manuale lässt es sich auch nach oben und unten oktaviert ankoppeln. Es verfügt im Diskant über zwölf weitere Töne bis g4, damit die Oktavkoppel auf den Manualen auch beim höchsten Ton nicht ins Leere greift. Durch die Oktavkoppeln ist die Schwellwirkung des relativ kleinen Schwellwerkes enorm.

Die Herrenhäuser Orgel steht nicht unter Denkmalschutz. Aber durch den jüngsten Umgang mit ihr wurde sie wie eine Denkmalorgel behandelt, denn die Eingriffe durch die Erweiterung waren marginal. Diese Erweiterung ist selbstverständlich klanglich zu erleben. Sie ist vor allem aber auch rein äußerlich zu erkennen, denn wie ein Rucksack ist oberhalb und hinter der ursprünglichen Orgel das Schwellwerk angefügt. Neu und Alt sind damit baulich im Sinne der Denkmalpflege getrennt und lassen das Alte und das Neue als eigenständige Gehäuseteile erkennen. Die Pfeifen von 1967 und die neuen Pfeifen verschmelzen durch ihre räumliche Nähe zu einem Gesamtklang.

Die erweiterte Orgel wurde am Sonntag, dem 27. Januar 2019 eingeweiht. Für alle der 455 neuen Pfeifen hatten sich Pfeifenpaten gefunden. Diese vielen Patenschaften haben die Erweiterung der Orgel erst ermöglicht. Darüber hinaus wurden weitere finanzielle Förderer für dieses Projekt gefunden.

Orgel 2019
© Christine Griesbach, 2019
Orgel 2019 Manuale
© Christine Griesbach, 2019
Orgel 2019 Schwellwerk
© Christine Griesbach, 2019

Disposition der erweiterten Orgel von 2019

Hauptwerk (I. Manual)

Bordun 16'
Prinzipal 8'
Gemshorn 8'
Oktave 4'
Koppelflöte 4'
Quinte 2 2/3'
Oktave 2'
Mixtur 6-8f
Bombarde 16'
Trompete 8'

Oberwerk (II. Manual)

Rohrflöte 8'
Quintade 8'
Prinzipal 4'
Hohlflöte 2'
Sesquialtera 2f
Mixtur 3-5f
Zimbel 3f
Trompete 8'
Oboe 8'
Tremulant

Brustwerk (III. Manual)

Holzgedackt 8'
Spitzflöte 4'
Prinzipal 2'
Terzian 2f
Blockflöte 1'
Scharff 4-5f
Vox humana 16'
Krummhorn 8'
Tremulant
 

Pedal

Prinzipal 16'
Subbass 16'
Oktave 8'
Gedackt 8'
Oktave 4'
Offenflöte 4'
Sesquialtera 2f
Feldpfeife 1'
Hintersatz 4f
Posaune 16'
Trompete 8'
Trompete 4'
Zink 2'

Schwellwerk

Geigenprinzipal 8'
Harmonieflöte 8'
Salicional 8'
Vox coelestis 8'
Fugara 4'
Traversflöte 4'
Klarinette 8'
 

Tastenumfang

Manuale: C – g '''
Pedal: C – f '

Tonumfang Schwellwerk: C – g ''''

Nebenzüge (Koppeln)

Hauptwerk/Pedal
Oberwerk/Pedal
Brustwerk/Pedal
Oberwerk/Hauptwerk
Brustwerk/Hauptwerk
Brustwerk/Oberwerk
Schwellwerk/Pedal
Schwellwerk 4'/Pedal
Schwellwerk/Hauptwerk
Schwellwerk 4'/Hauptwerk
Schwellwerk/Oberwerk
Schwellwerk 4'/Oberwerk
Schwellwerk/Brustwerk
Schwellwerk 4'/Brustwerk
Schwellwerk 16'/Schwellwerk

Schwelltritt für das Brustwerk
Schwelltritt für das Schwellwerk
Zimbelstern, Tempo variabel

Setzerkombinationen mit personalisiertem Zugang